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Auszug vom Buch

DDR ...danach...

 

Eine autobiographische Erzählung der Autorin.

Durch einen Fluchtversuch, der misslang, kam sie in der DDR ins Zuchthaus.

Buch: DDR- Ein schwerer Weg

Sie wurde ausgekauft und kam so in den Westen. Dieses Buch hier zeigt, was danach kam. Wie sehr die Vergangenheit der DDR, die Gegenwart beeinflusste und wie sie heute damit lebt.

 

 

 

Spuren der DDR Vergangenheit   

Ich sitze im Bus. Es ist still. Wir haben Angst. Keiner weiß, wo es hingeht.

Oder doch? Wir wissen, wir fahren in den Westen, über die Grenze, über die wir schon so lange wollen.

Viele Gedanken gehen mir durch den Kopf.

Wie lange habe ich gebraucht diesen Weg zu gehen? Was musste ich alles auf mich nehmen, um so weit zu kommen?

Ich habe Dinge erlebt, die ich niemanden wünsche. Dinge die, die Unmenschlichkeit des DDR Systems klarmachen. Dinge die zeigen, dass die DDR Angst hatte. Die sie dazu treibt, grausam ihren eigenen Bewohnern zu begegnen. Nur, um ihre Schwäche nicht zu zeigen.

Ich sitze in dem Bus der aus dem Gefängnis in die BRD, also in die Freiheit, in den Westen fährt.

Bis zur Grenze fahren die Staatsorgane der DDR mit. Im Bus selbst und mit einem Auto dahinter. Wir wissen nicht, ob er wieder umdreht. Wir wissen nichts.

Die Fahrt dauert nun schon etwa drei Stunden. Wir sehen die Grenze.

Bald, bald sind wir frei.

Dann kann jeder so leben, wie er es will. Dann kann auch ich, selbst über mein Leben entscheiden. Ohne Angst zu haben etwas falsches zu sagen und ohne Angst zu haben, die politische Meinung der Regierung nicht zu vertreten.

Der Schlagbaum ist in Sicht. Wir sind ganz still.

Man ist mir schlecht.

Müssen wir jetzt raus? Nein. Der Bus hält kurz vor dem Schlagbaum. Nur die von der Stasi steigen aus. Die Tür schließt sich wieder. Jetzt!

Jetzt können wir durchatmen.

Der Busfahrer fährt weiter. Er spricht durch ein Mikrophon zu uns. Er sagt, jetzt können wir, wie wir wollen. Jetzt sind wir im Westen.

Wir überqueren gerade die Markierung zur Bundessrepublik Deutschland.

Jetzt, ja jetzt sind wir frei und im Westen.

Hinter dem Schlagbaum hält der Bus wieder. Ein Mann steigt ein. Er begrüßt uns. Es kommt noch jemand. Er reicht jedem von uns eine Tüte. Sie nennen es Fresspaket.

Es ist ein Beutel mit Brötchen. Ich weiß gar nicht wie lange ich keine mehr gegessen habe. Eine Schachtel Zigaretten ist auch darin. Wir dürfen im Bus rauchen. Einen Apfel, eine Orange, ebenso ein Saft sind  dabei.

Das ist wie Weihnachten.

Ich komme aus der DDR. Ich weiß nicht wann ich das letzte mal eine Orange in der Hand hatte.

Mir ist schlecht. Ich habe Kopfweh, unerträgliches Kopfweh, aber ich bin im Westen.

So langsam finden wir alle unsere Stimme wieder. Wir lachen, wir weinen. Die Gefühle sind völlig durcheinander.

Endlich.

Sollte ich es wirklich endlich geschafft haben?

Ich habe 20 Jahre gebraucht wieder  hierher zurück zu kommen. In das Land in dem ich geboren wurde. Eine Chance zu entscheiden wo ich leben wollte, hatte ich nicht. Das haben meine Eltern getan.

Der erste Mann ist immer noch im Bus. Der andere, der die Tüten verteilte, ist wieder ausgestiegen.

Wir fahren weiter. Der verbliebene Mann begrüßt uns noch einmal. Er redet und redet. Ich bin mit meinen Gedanken soweit weg. Und höre gar nicht was er sagt.

Er wünscht uns hier in unserem neuen Lebensabschnitt alles Gute.

Wir fahren nach Gießen in das Notaufnahmelager. Bis dahin wusste ich gar nicht das es so was gibt.

Schon kurz nach der Grenze, nachdem wir unsere Gefühle wieder so ein bisschen auf die Reihe gekriegt haben, schau ich aus dem Fenster. Ich will die Freiheit sehen, sehen wie es aussieht.

Hier ist alles bunter. Selbst die Bäume sind grüner. Es ist nicht zu beschreiben.

Ich komme aus dem Gefängnis. Ich habe 15 ½  Monate nur graue Mauern gesehen. Selbst wenn ich aus dem Fenster geschaut hatte, war es nicht so wie hier. Hier ist es bunt. Die Häuser haben ein bunten Anstrich. Sie strahlen Freude aus.

Es ist der 11. September 1985, Spätsommer. Die Blätter an den Bäumen schimmern in allen Farben. Das Grün ist ein saftiges dunkles Grün. Das ist Leben. Hier ist Leben.

Der Bus fährt immer noch. Laut dem Busfahrer sind wir nach der Grenze noch zwei Stunden unterwegs. Dann kommen wir in Gießen an.

Losgefahren sind wir vom Gefängnis in Karl Marx Stadt gegen 13.00 Uhr. Gegen 16.00Uhr waren wir an der Grenze. Nach zwei Stunden, also gegen 18.00 Uhr sind wir in Gießen. Dann betreten wir bundesdeutschen Boden.

Mir ist immer noch schlecht. Auf der Toilette im Bus wechseln sich die Leute ab. Kein einziger von uns hat weder den Saft noch das Obst vertragen. Manche müssen sich übergeben, andere bekommen Durchfall. Ich bin beim letzteren dabei.

Schlecht war mir ja eh schon. Meine ganze Gesundheit will nicht so, wie ich.

Mein Kopf zerspringt fast. Ich kann kaum aus den Augen schauen. Mein Magen spielt verrückt. Jeder einzelne Knochen schmerzt.  Die Aufregung, das Vitamin C, das sind alles Dinge die ich nicht mehr wirklich vertrage. Es war einfach zuviel in den letzten Monaten.

Wir fahren von der Autobahn runter. Jetzt fahren wir durch einen Ort.

Sind wir jetzt da? Sieht so aus. Der Bus hält. Eine Schranke öffnet sich.

Wieder eingesperrt?

Es  sieht anders aus, aber Schranke und Wärterhäuschen? Ich weiß nicht.

Der Bus hält wieder. Wir steigen alle aus. Unser Gepäck wird unten aus den Luken geholt.

Jeder sucht sich sein Gepäck und folgt dem Mann aus dem Bus. Bepackt gehen wir so alle in das Haus. An der Tür steht jemand.. Auch ein Mann. Er begrüßt uns und bietet Kopfschmerztabletten an.

Oh mein Gott...

Tränen laufen mir übers Gesicht.

Er gibt mir gleich zwei Tabletten. Kopfweh hatte ich seit ich eingesperrt war, aber eine Tablette habe ich fast nie erhalten. Und jetzt kriege ich gleich zwei und er fragt ob ich ein Glas Wasser dazu möchte.

Jetzt weiß ich, ich bin in Freiheit. Ich bin endlich frei.

 

 

Das ist ein Auszug aus meinem Buch